Die Mecklenburgische Schweiz ist eine prekäre ländliche Region, deren soziokulturelle und sozioökologische Daseinsvorsorge geschwächt ist. Zugleich stehen Bürger*innengesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Kultur vor radikalen transformativen Herausforderungen. Dafür braucht es Wissen, regional zusammengetragenes, bewertetes und vermittelbares Wissen an Lernorten. Beides gibt es nur sehr bedingt und für die Selbstermächtigung regionaler Entscheider und Akteure unzureichend.
(Aus der Perspektive der transdiziplinären Transformationsforschung sind ländliche Räume hinsichtlich forschungsmethodischer Zugänge – wie das Reallabor sowie transformativen Lernens (transformative literacy) im Rückstand)
Selbstorganisiertes Empowerment regionaler Entscheider, Einrichtungen, Akteure und Bürger*innen für kooperative Gestaltung zukünftiger Daseinsvorsorge und Resilienzfähigkeit
Jugend als authentische Transporteure
Ausprägung einer zukunftsorientierten regionalen Identität als Zukunftsbild (orientierende Referenz) (Regiobranding)
Organisation und Gestaltung eigener Kommunikationsmittel
Relevante Handlungsfelder und tragende Akteure (Landnutzung – Moorbewirtschaftung, Agroforst;
Digitale Wissenslandschaft und digitalgestützte Bildungslandschaft (Infrastruktur und Lernkulturen für transformatives Lernen und Bürger*innenakademie)
Forschungsmethodische Erkenntnisse zu transformativen Gestaltungsprozessen und regionaler Selbstermächtigung hinsichtlich nachhaltiger Daseinsvorsorge und Resilienzfähigkeit
Partizipative Entwicklung eines regionalen Zukunftsbildes und Verbindung mit der Initiierung einer zukunftsorientierten Identität (Sozialraum Mecklenburgische Schweiz)
Aufbau des Kooperationsverbundes der Raumpioniere (einschließlich von Gemeinden) mit eigenen Gestaltungsfeldern
Einrichtung eines schulübergreifenden Schülerforschungsprogramms zu Erforschung und Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen (SDGs) und Transformationsfeldern
Lösungsorientierte Arbeit in Transformations-AGs: Landnutzung (Moorbewirtschaftung, Agroforst, reg. Produktion); Mobilität; Naturtourismus; Kulturwirtschaft; Jugend; Bildung
Reflektierende Forschung zu Reallaboren und „Transformativer Zelle“
Narratives Zukunftsbild zur Region
Schule als regionale Interventionskraft/ agenda setting: in das Schulprogramm integriertes permanentes Schüler*innenforschungsprogramm „Anthropozän – Schule von morgen“, (korrespondierend mit Verbund junger Bürgerwissenschaftler*innen) zur konzeptionellen und realen Transformation der Schule (Umsetzung)
Kooperationsverbund der Raumpioniere als regionaler Akteur /agenda setting
Bürger*innenzeitung Der AUFmacher
KMGNE – Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung mit seinem AN-Institut Projekthof Karnitz
Spielraum – Boschstiftung, Zukunftsstadt – BMBF, Heimat 2.0 – BMI, SEM, ENavi – BMBF
Webseite: www.projekthof-karnitz.de , www.raumpioniere.org
Website Mecklenburgische Schweiz : Mitte 2021
Podcast /Radiosendung : Mitte 2021
Dieses Vorhaben versucht, unabhängig von Projektzyklen/zeiträumen eine Entwicklungskontinuität zu organisieren, die der Dynamik aber auch der „Ungewissheit“ von „großen Transformationsprozessen“ sowie ihrem langen Zeitraum annähernd gerecht wird.
Welche Ausgangssituation bestand, die dazu führte, mit dem Projekt zu beginnen?
Es war eigentlich die Unzufriedenheit in der Region Mecklenburgische Schweiz, die an vielen Stellen, bei vielen Bürger*innen, in Verwaltungen und bei Initiativen der Zivilgesellschaft durchschimmerte. Und es war eine Unzufriedenheit mit dem apathischen Zustand des gesellschaftlichen Lebens – gegenüber den nun wirklich kräftigen Herausforderungen. Demografischer Wandel, niedriges Einkommen und Vermögen, Abwanderung, schlichte Regionalwirtschaft und schrittweise die ersten spürbaren Folgen des Klimawandels, kaum noch Bauernschaft, kaum öffentliche Räume und wenig Kulturangebote usw. – die typische Agenda ländlicher Räume, die ausserhalb von Großstadtgürteln liegen. Es gab 2014 die Möglichkeit, Szenarien für Zukunftsbilder der Region, v.a. des Raumes um die Ankerstadt Malchin herum, zu entwickeln: mit und durch die Bürger*innen, die von Expert*innen und Wissenschaftler*innen begleitet wurden. In den heftigen Kontroversen entwickelten sich Kompetenzen sowohl bei Einzelnen aber auch bei einigen Einrichtungen, sich der Wirklichkeit zu stellen. Hauptsächliches Thema war: wie sichern und organisieren wir die zukünftige Daseinsvorsorge, wenn wir die Veränderungsprozesse anerkennen? Sind wir als Region klug und willens genug, uns rechtzeitig, vorsorgend resilienzfähig zu machen? So entstand aus über 650 Bürger*innen- Vorschlägen ein Zukunftsbild für die Region, das ja eigentlich „nur“ die Funktion hat, schlüssige Konsequenzen für heute zu treffende Entscheidungen zu ziehen, die notwendig sind, um einigermaßen wünschenswerte Situationen in der Zukunft zu haben. Von den Verwaltungen und den kommunalen Gremien wurde diese Bewegung nicht wirklich aufgegriffen, ebenso wenig die Vorschläge. Diese „Gelassenheit“ und dieses Desinteresse findet sich bis heute – z.B. bei der Digitalisierung, bei der Trostlosigkeit in den Innenstädten, bei der Kultur.
Was war Ziel des Projektes?
Erst bildete sich eine Gruppe von Bürger*innen, die über eine Bürgerstiftung einzelne Handlungsfelder in Angriff nehmen wollten. In einer breiteren Bewegung bildete sich – nach dem Scheitern der Stiftung – ein Kooperationsverbund von Raumpionieren. Es ist eine heterogene Gruppe: von Künstler*innen, Veranstaltern, Händlern, kleinen Gemeinden, Bildungsleuten bis Landwirten.
Das übergeordnete Ziel ist die Sicherung zukünftiger Daseinsvorsorge und Resilienzfähigkeit der Region und die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen bei Bürger*innen und Einrichtungen mit den vielfältigen Veränderungsprozessen klarzukommen – was immer das im Einzelnen bedeuten mag wie die Pandemie zeigt. Das hat viel mit Prozessen der Selbstermächtigung der beteiligten Akteure zu tun.
Dieses Ziel erscheint in einem breiten Mix sehr verschiedener Teilziele oder Handlungszwänge, die von ebenso verschiedenen Interessengruppen verfolgt werden: Regionale Mobilität, die auf die Teilhabemöglichkeit Aller am gesellschaftlichen Leben ausgerichtet ist; lebensbegleitendes Lernen/Bildung; Neuerfindung des Dorfes; regionale Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln; veränderte Landnutzung mit Bewirtschaftung vernässter Moorflächen und Agroforst; Kulturwirtschaft, verstanden als lokale/regionale Zukunftsinvestition (statt Kosten); jugend(zukunft)orientierte Entwicklungspfade (start-up-Unterstützung, preiswerter Wohnraum für junge Leute, Kultur- und Lernangebote); regionale öffentliche Kommunikation/Austausch; Ernährung
Und so wurde zum zweiten Oberziel das, was man zusammenbinden nennt und was zu einer ständigen Aufgabe wird. Dieses Ziel hat zwei Bestandteile: 1. Die Organisation und Moderation der einzelnen Projekte und Initiativen und deren Kommunikation untereinander und 2. Der Aufbau einer kooperativen zivilgesellschaftlichen Infrastruktur, die regionales Wissen, welches für die Veränderungen unabdingbar ist, zu sammeln, zu bewerten und nutzbar zu machen und die generationsübergreifend Lernmöglichkeiten und -angebote bereitstellt, die von Bürger*innen und Einrichtungen für die Entwicklungen und Anpassungen an veränderte Lebensbedingungen abgefragt werden.
Wer hatte die Idee zu dem Projekt und wer war daran beteiligt?
Dass ein Transformationsprozess in Gang kommen sollte, der unterschiedliche Probleme, auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Weise angehen würde, war allen klar. Das KMGNE, als wissenschaftliche Einrichtung und der Projekthof Karnitz als Umsetzer, moderieren diesen Prozess, binden Einzelinitiativen und Einzelinteressen ein, thematisieren Kontroversen und Zielkonflikte…
Das wesentliche Interesse an dem Prozess besteht an
Was wurde wie und wann umgesetzt?
Für die Raumpioniere war eine räumliche Identifikation wichtiges Element der Kooperation. Kulturlandschaft „Mecklenburgische Schweiz“ ist das verbindende Element.
Dazu wurde gemeinsam mit Vertreterinnen von regionaler Wirtschaft und Tourismus ein Konzept erarbeitet, welches mit den beiden Landkreisen, den Planungsregionen und dem Tourismusverband MSE sowie den Bürgermeistern der Region beraten wurde und positive Resonanz erhielt. Ziel ist ein sogenanntes Regiobranding, welches mit Alleinstellungsmerkmalen ein eigenes Gesicht entwickelt und sich damit in die Entwicklungsprozesse des LK integriert.
Erstes Ergebnis ist eine website für die Mecklenburgische Schweiz https://mecklenburgische-schweiz.net/ , auf der detailliert das breite öffentliche Leben, Verwaltung, Service dargestellt ist.
Interessen- und Handlungsfelder
Inhaltliche und organisatorische Kooperationen haben sich in folgenden Themenfeldern herausgebildet
Regionale Mobilität (6 Anbieter bauen eine gemeinsame Infrastruktur für regionale Mobilitätsangebote auf.)
Veränderung in der Landnutzung und regionale Versorgung (Landwirte und Abnehmer entwickeln Versorgungsstrukturen für regionale Produkte; Umstellung der Bewirtschaftung von Moorflächen und Nutzung von Agroforstsystemen)
Naturtouristische Angebote und Rahmenkonzept (Inwertsetzung von ökologischen hotspots, schrittweise Einführung einer „Aktie für ökologische Leistungen“ /Finanzierungsinstrument für Bildungstourismus).
Kulturelle Veranstaltungen (15 Künstler*innen und Veranstalter kooperieren bei Events wie Kunst offen, Offene Gärten; Aufbau eines regionalen Theatertreffs in Karnitz)
AG Heimatgeschichte (9 Heimatforscher*innen und 2 Museen streben die Arbeit an einer Regionalgeschichte an /Förderantrag bei BpB. Für die Öffentlichkeit wurde im September 2020 der erste PoetrySlam zu „Herkunft und Heimat“ durchgeführt. Die Fortführung in diesem Jahr ist gesichert.
Welche Hindernisse gab es zu überwinden?
Wesentliches Hindernis ist die Verwaltungskultur und Mentalität kommunaler Gremien, sich vorrangig auf tagesaktuelle Fragen und Probleme zu konzentrieren. Der grundsätzlich reagierende Charakter des politischen und Verwaltungshandels verhindert vorsorgendes, kluges, aktives Gestalten von Daseinsvorsorge und regionaler Entwicklung.
Die Akteure aus der Kulturwirtschaft sehen kooperative Effekte als anstrebenswert. Aber sie werden noch zu wenig ernst genommen, es fehlen noch zuviele handwerkliche Fähigkeiten, um sie zu nutzen. Das betrifft ebenso die Kooperation und Vernetzung. Zuschnell wird Vernetzung mit Zusammenkunft gleichgesetzt. An Zielvorstellungen, Nutzeffekten und Konsequenzen der Kooperation wird kaum und nicht professionell gearbeitet. Das gilt umso mehr, wenn sinnvolle „diverse“ Geschäftsmodelle artfremde Branchen einschließen wollen. Schließlich stellen wir mentale und ressourcenbezogene Hürden gegenüber innovativen Erwartungen und Herausforderungen fest. Es geht nicht um Neuerungen der Neuerung willen, sondern um neue kreative Angebotslösungen (und damit auch kulturelle Produktionen), die sowohl dem Zeitgeist als auch dem eigenen künstlerischen und kulturellen Anspruch, den die Initiativen ja haben, gerecht zu werden. Diese nicht-technischen Innovationen sind ein dickes Brett, das zu bohren, sich viele Initiativen nicht getrauen.
Die Nutzung digitaler Instrumente ist einmal ein infrastrukturelles Problem. Zum anderen braucht es aber für die Raumpioniere eine stärkere aktive Nutzung von digitalen Hilfsmitteln und entsprechenden Kompetenzerwerb. Dazu wird ab diesem Jahr eine sogenannte „digitale Wissens- und Bildungslandschaft“ für die Region eingerichtet (gefördert vom BMI).
Was sind die Ergebnisse und Wirkungen des Projektes?
Siehe oben und:
www.raumpioniere.org
www.projekthof-karnitz.de
www.ccclab.org
Wie wurde der Prozess finanziert?
Mix von Förderprogrammen: BMBF (Zukunftsstadt, Reallabor), EU, BMI (Heimat 2.0), SEM, Bosch-Stiftung, Vorpommern-Fonds; Eigenmitteln; Spenden